Es ist ein offenes Geheimnis – wir Deutschen sind, statistisch belegt, schon seit Jahren Europa- wenn nicht sogar Weltmeister im Jammern. Unter dem Gesichtspunkt dass die meisten von uns ein Dach über dem Kopf und genug zu essen haben und wir in einem der reichsten Industrieländer und im Frieden leben, erscheint diese Tatsache widersprüchlich und macht nachdenklich.

Die Frage nach dem Warum wurde vielschichtig diskutiert. Da ist vom historischen Nicht-Aufarbeiten der Nazi-Zeit die Rede, davon dass wir uns nach Führung und damit dem Abgeben der eigenen Verantwortung sehnen. Oder davon, dass uns unsere Vergangenheit daran hindert, offen Zufriedenheit zur Schau zu stellen. Das Jammern soll also eine Alibi-Funktion erfüllen, damit nur ja keiner auf die Idee käme uns ginge es zu gut.

Aber unabhängig von den Gründen ist uns das Jammern zur ureigensten Natur geworden. Es wurde quasi chronifiziert und gehört zum guten Ton. Will man mit Menschen in Kontakt kommen, ist es vielversprechender über den mal wieder viel zu schwülen Sommer, die Unfähigkeit der Regierung oder die Verspätung der Bahn zu meckern, als sich über irgendetwas positiv und optimistisch zu äußern. Nicht umsonst lebt die Social Media Welt mehr von negativen Schlagzeilen als von den guten. Sehr traurig wie ich finde und ich kann mich selbst auch nicht ausschließen was mich oft sehr ärgert. Denn Fakt ist – worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten wird automatisch mehr. 

Es kann uns noch so gut gehen, wir finden unter Garantie ein Haar in der Suppe so als könnten wir einen Zustand der Zufriedenheit nicht ertragen. Doch wie alles im Leben hat auch diese Medaille zwei Seiten denn Jammern kann auch ein Motivator sein. Und Unzufriedenheit über eine Situation kann uns ins Tun bringen, dafür sorgen, dass wir Abhilfe und Veränderung schaffen wollen. Schon Oscar Wilde sagte ‚Unzufriedenheit ist der erste Schritt zum Erfolg‘ und ja, sie ist die Bedingung um sich weiterzuentwickeln. Hätten unsere Vorfahren nicht über die kalten Höhlen gejammert, hätten sie wohl nicht gelernt Feuer zu machen.

Allerdings macht, wie so oft, die Dosis das Gift. Statisches Verharren in der Situation um weiter jammern zu können ist nachweislich ungesund. Denn so verlernen wir das zu schätzen was wir haben und schielen immer nur nach dem was noch nicht da ist. Unseren Unmut aber einfach runter zu schlucken ist auch keine Lösung, das würde sich nur andere Ventile suchen. Wie also damit umgehen?

Ich persönlich habe die beste Erfahrung damit gemacht Jammer-Diät-Tage einzuhalten an denen ich mir verbiete laut oder in Gedanken zu jammern. Und wenn mir trotzdem mal danach ist, mal richtig ausgiebig für 10 Minuten zu lamentieren um es danach gut sein zu lassen. Das befreit und lässt den Druck aus dem Kessel. Ein guter Weg ist auch sich bei manchen Situationen zu fragen was man konstruktiv daran ändern kann, frei nach dem Motto ‚accept it, change it, or leave it‘.

Buchempfehlung zum Thema: ‚Deutschland, einig Jammerland‘ von den Psychologen Annika Lohstroh und Michael Thiel