Neulich wurde ich gefragt, ob Neid in meinem Leben eine Rolle spiele was mich zu längerem Nachdenken brachte. Ich hatte mich nie als einen neidischen Menschen gesehen. Demnach war mein erster Gedanke ‚ich doch nicht, ich gönne allen alles‘, aber ist das wirklich so? Gönne ich jedem Liebe, Reichtum, Bekanntheit, Ruhm und Ehre, auch wenn die Gründe dafür nicht in der Person liegen, sondern vielleicht nur durch gute Connections oder Zufall entstanden sind? Dies musste ich klar verneinen, da schleicht sich schon mal so ein kleinlicher Gedanke ein, dass das unfair sei und andere hart dafür arbeiten müssen um sich das zu verdienen oder einfach nicht so viel Glück haben.

Der Nachbar, der aufgrund eines Erbes den eigenen Traumwagen fährt. Der Kollege, der durch einen Lottogewinn aufhören konnte zu arbeiten und die  Welt bereist. Die Bekannte, die ständig neue, teure Klamotten trägt weil ihr Mann so viel Geld verdient während sie nicht weiß was sie mit ihrer freien Zeit anfangen soll. Oder auch das nette Paar von gegenüber, das offenbar die perfekte Beziehung führt…. Beispiele, die mir doch manchmal einen Neid-vollen Gedanken abnötigen denn ich habe ja nie einfach so etwas geschenkt bekommen. 

Aber ist es nicht natürlich, dass wir so denken und muss dieses Gefühl tatsächlich verteufelt werden um in einer abgeschiedenen Ecke unserer Gefühlswelt von uns selbst und anderen unbemerkt weiter zu existieren?

Doch wir übersehen dabei das Positive an diesem vermeintlich so negativen Gefühl. So kann Neid nicht nur negativ behaftet sein sondern auch als Motivationsgeber dienen. Was wäre die Welt, wenn wir keine Vorbilder hätten, an denen wir uns reiben, mit denen wir uns vergleichen und die wir, ja, auch beneiden können? Neid kann auch Großes in uns bewegen, uns zu größeren Leistungen antreiben, einem Ziel näher bringen weil man sich so sehnlich wünscht das zu haben was ein anderer hat. Das hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass man es dem anderen nicht gönnt, nur dass man selbst auch gern ein Stück davon abhaben möchte und das ist zutiefst menschlich.

Deshalb sollten wir zu unserem Neid stehen, auch weil ich generell nichts davon halte, Gefühle zu verdrängen, auch wenn sie in unserer Gesellschaft einen negativen Touch haben. Es macht auch keinen Sinn etwas zu negieren was de facto da ist, davon geht es mit Sicherheit nicht weg. Es sucht sich nur andere Ventile und kann größer und schmerzhafter werden wenn wir uns dem nicht stellen. Ich kann aber meinen Frieden damit machen, akzeptieren dass ich dieses Gefühl habe und lernen mich nicht dafür zu schämen oder zu hassen.

‚Ich beneide Dich‘ kann als Kompliment gemeint sein vor den Leistungen des anderen. Als Ansporn begriffen werden sich selbst und seinen Weg zu überprüfen und zu hinterfragen was uns fehlt. Hätten wir keine Vorbilder, die uns ‚die Karotte vor die Nase halten‘, würden wir glatt vergessen welche Ziele wir haben oder welche Sehnsucht an uns nagt. Denn in der Mehrzahl haben sich die Menschen, die wir beneiden, diesen ja auch verdient. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort ‚Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen‘. Und vielleicht ist es auch nur diese Erinnerung, dass wir unseren Hintern hochkriegen und etwas ändern müssen wenn wir das Gleiche wie der Beneidete haben wollen, die uns ein ungutes Gefühl bereitet denn es holt uns unsanft aus unserer Komfortzone.

Doch wir übersehen dabei die Riesenchance, die darin steckt – dass es generell möglich ist. Dass auch ich, wenn ich mich anstrenge oder die richtigen Schritte gehe, dieses Ziel erreichen kann. Wenn es irgendwo auf der Welt auch nur ein Mensch schafft, dann heißt das, dass ich es auch kann. Also lasst uns den Neid in die Arme nehmen denn er bringt uns näher zur Erfüllung unserer Wünsche und Sehnsüchte.